Für den Mako Hai geht es um die Wurst aber beim DG Mare der EU-Kommission scheint es leider ausschließlich um verletzte Eitelkeiten und die wirtschaftlichen Interessen der Fischerei zu gehen.
23. Mai, 2021
Fischereiinteressen stehen gegen Artenschutz – auch oder v.a. bei der EU Kommission
Am 11. Mai 2021 fand daher auf Einladung des Europaparlamentsabgeordneten Francisco Guerreiro von den Grünen in Portugal ein EU Webinar zum Thema Mako und der Rolle der EU zu dessen Schutz statt.
Das Webinar hatte SHARKPROJECT gemeinsam mit Pro Wildlife und der Humane Society International/Europe organisiert. In der fast 90 minütigen Podiumsdiskussion zwischen den Meeresschützern Ali Hood vom Shark Trust UK, Dr. Ralf Sonntag von Pro Wildlife, dem Vizevorsitzenden der Wissenschaftskommission des ICCAT, Dr. Rui Coehlo, und Anders Jessen, dem Bereichsleiter für die EU Vertretung bei den Regionalen Fischereimanagement Organisationen (EU Kommission, DG Mare) zeigte sich die ganze Dimension der Problematik.
- Die wirtschaftlichen Interessen der EU Flotte an der Ausbeutung der Ressource Makohai stehen ganz klar den Artenschutzbemühungen entgegen, werden aber selbstverständlich von der Industrie präferiert und finden bei der EU wohlwollendes Gehör.
- Sämtliche, der angeführten Argumente für ein Anlandeverbot werden von der EU entweder ignoriert oder mit fadenscheinigen Argumenten verzerrt dargestellt – so z.B. dass es dem Schutz der Tiere nicht diene wenn man tote Tiere ins Meer zurückwirft anstatt sie zu verkaufen. SHARKPROJECT: DOCH, tut es weil man dann den Anreiz für die Fischer entfernt solange zu warten bis der Beifang tot ist und die Tiere wenn lebend freigelassen eine Überlebenschance von über 70% haben!
- Die eindeutige wissenschaftliche Empfehlung des SCRS wird als unzulässige Einmischung seitens der Manager gesehen, denn für was brauche man denn noch Manager wenn die Wissenschaftler sagen was getan werden muss? SHARKPROJECT: GENAU, das ist die Rolle der Wissenschaft, den Managern zu sagen wie es aussieht und was jetzt notwendig ist. Haben wir das nicht alle gerade erst aus der Covid Pandemie gelernt?
- Die EU möchte die Diskussion über einen retention ban keinesfalls während des kommenden Intersessional Meetings im Juli führen sondern lieber auf die Jahresversammlung vertagen um Zeit zu gewinnen und Fakten schaffen zu können. SHARKPROJECT: NEIN, denn ansonsten laufen wir Gefahr dass das Thema dieses Jahr wieder vertagt wird und wir ein weiteres Jahr Überfischung erleben, wie ja jetzt auch schon. Dabei ist die Marschrichtung doch eigentlich klar!
Die Argumente der EU und die Aufzeichnung des gesamten Webinars gibt es auf YouTube zu sehen
Hintergrund
Seit 2019 kämpft SHARKPROJECT gemeinsam mit vielen anderen Meeresschutzorganisationen in Deutschland, Europa und weltweit dafür, dass endlich ein „retention ban without exceptions“ beim ICCAT umgesetzt wird.
Wir haben seither Briefe an alle ICCAT Delegationen, die EU Kommission und auch an die Bundesregierung geschrieben mit der Bitte sich beim nächsten ICCAT Meeting für ein Anlandeverbot im Norden und zumindest eine Fangmengenbegrenzung im Südatlantik einzusetzen. Nur wenn ein solches Verbot zügig umgesetzt wird haben wir noch eine realistische Chance den totalen Kollaps zu verhindern – bevor es für den Top Prädator im Atlantik - Isurus oxyrinchus - bald für immer zu spät sein wird. Letztes Jahr scheiterte beim ICCAT erneut ein Vorstoß für den Schutz des bedrohten Makohaies im Atlantik an den Gegenvorschlägen der USA und der EU, die jeweils für Fangquoten von 500 - 700 Tonnen für den Norden plädiert hatten obwohl der wissenschaftliche Ausschuss der zuständigen Fischereimanagementorganisation (ICCAT SCRS) seit 2017 ein komplettes Anlandeverbot für Makohaie aus dem Nordatlantik empfiehlt.
Im Dezember 2020 reagierte daraufhin die wissenschaftliche Bewertungsgruppe (SRG) der EU (zuständig für die Einhaltung der CITES Kriterien für den Import von bedrohten Arten in die EU) und gab eine negative Bewertung für die Erstellung von Einfuhrzertifikaten ab, d.h. Mako aus dem Nordatlantik wird als nicht nachhaltig gefangen eingestuft und darf somit nicht in die EU importiert werden. Diese Bestimmung gilt zwar offiziell nur für Anlandungen aus internationalen Gewässern aber Spanien hat daraufhin dennoch ein komplettes Anlandeverbot für Mako aus dem Nordatlantik erlassen und so Hoffnungen geweckt, dass die EU jetzt endlich ihre Blockade gegen ein Anlandeverbot aufgeben würde. Portugal hat zumindest die Anlandung von der Hochsee untersagt.
Aber weit gefehlt!
Jetzt erst recht ..... scheint man sich bei der EU Kommission zu denken und man will Nägel mit Köpfen machen indem man nun eigenständig eine EU Fangquote von 288 t für 2021 festgelegt hat. Dies entspricht genau dem, letztes Jahr von der EU vorgeschlagenem Anteil an der Gesamtfangquote, von 500 Tonnen. Die EU beansprucht also nahezu 60% aller Makofänge im Nordatlantik für sich und rühmt sich dabei noch dass dies einer Fangmengenreduzierung von 80% gegenüber 2019 entspräche. Das ist zwar rechnerisch richtig, denn 2019 gingen über 1.100 Tonnen der Gesamtfanges von 1.863 Tonnen auf das Konto der EU, hat aber mehrere Haken:
- Die Tatsache dass dieser Hai entgegen der offiziellen Deklaration als ungewollter Beifang von einigen EU Fischereien weiterhin gezielt gejagt wird, da sowohl das Fleisch als auch die Flossen der Kurzflossenmakos gute Preise am Markt erzielen. Mit der angekündigten TAC (total allowable catch) ändert sich das dann keineswegs und wird nur dazu führen dass am Anfang des Jahres vermehrt versucht wird „tote“ Makos zu erbeuten; eben solange bis die TAC ausgeschöpft ist. Erst danach wird dann damit begonnen werden den gesamten „Beifang“ wieder ins Meer zu entlassen.
- Laut Aussagen von Beobachtern sind aber tatsächlich die meisten Tiere noch am Leben wenn die Leinen eingeholt werden und wenn sie freigelassen würden könnten ca. 77% von ihnen überleben. Aber da „tote“ Makos behalten werden dürfen ist der Anreiz gering die Tiere möglichst rasch wieder freizulassen. Lieber wartet man bis sie tot sind.
- Und ob nach dem Erreichen der TAC dann tatsächlich alle Tiere wieder über Bord geworfen werden ist auch noch nicht sicher, zumal derzeit die Beobachterrate der EU Langleinenfischerei lediglich bei ca. 8% liegt und auch bisher schon eigentlich nur dann „toter“ Mako an Bord behalten werden hätte dürfen sofern ein Beobachter an Bord ist. 1.100 Tonnen in 2019 angelandet von Schiffen die über die gesamte Zeit Beobachter an Bord hatten? Da dängt sich einem natürlich der Gedanke auf, dass entweder nur einige Schiffe davon profitiert haben und auch zukünftig weiter profitieren wollen oder aber dass Makos auch ohne Beobachter an Bord behalten und angelandet wurden. Aber jetzt sollen dann tatsächlich alle Makohaie wieder ins Meer entlassen werden sobald die TAC von 288 Tonnen ausgeschöpft wurde? Selig sind diejenigen, die (noch) glauben können!
- Und dass es selbst für diese 288 Tonnen momentan keine CITES Einfuhrgenehmigung für den Fang aus internationalen Gewässern gibt scheint auch nicht weiter zu stören. Jetzt wird einfach der gesamte Fang als aus nationalen Gewässern stammend deklariert und in Portugal angelandet – und zwar in gegenüber den Vorjahreszeiträumen unveränderter Menge. So ändert sich für die Fischerei kaum etwas, aber leider wird sich die Situation für den Mako dadurch noch weiter verschlechtern. Und dabei war es doch die EU die maßgeblich daran beteiligt war, dass 2019 der Kurzflossenmako auf den Anhang II der CITES Liste gesetzt wurde.
Die Analyse
- Erstaunlicherweise ist man sich auf beiden Seiten einig darüber, dass die gegenwärtigen Maßnahmen beim ICCAT unzureichend sind und die Überfischung des bedrohten Mako beendet und sich der überfischte Bestand erholen müssen könne. So sagte sogar Anders Jessen: „the science is clear“ aber was das dann konkret bedeutet bzw. wie man das umsetzen will, darüber herrscht nach wie vor Uneinigkeit. • Die EU erwägt als Zusatzanforderung festzulegen dass nur noch eine festgelegte Anzahl von 1-2 Tieren pro Boot und Trip angelandet werden darf und Spanien hat das wohl bereits eingeführt. Damit gibt sie aber indirekt auch zu dass Mako bisher von einigen Booten gezielt gefischt wurde und immer noch wird. Und wie das faktisch überwacht werden soll wenn es kaum Kontrollen in den Häfen gibt und die Beobachterrate der Flotte allgemein nur bei ca 8% liegt bleibt unklar.
- Im Juli beim Intersessional Meeting des ICCAT soll nach Willen der EU ausschließlich über wissenschaftliche und technische Verbesserungen zur Vermeidung von Beifang und Maßnahmen zur Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit beraten werden. So will man einen erneuten Konflikt beim ICCAT vermeiden aber auch eine Entscheidung hinauszögern und bis zum Jahresende werden dann Fakten (288 Tonnen) geschaffen sein die eine solche TAC als einzig gangbare Lösung erscheinen lassen werden. • Der Bestand des vom SRG im Dezember 2020 ausgesprochenen negativen NDF wird von der EU tatsächlich in Frage gestellt und als vollkommen ungerechtfertigt dargestellt. Man gehe davon aus dass nach Einführung der TAC diese Meinung revidiert würde, meinte Anders Jessen beim EU Webinar.
- Als Argumente gegen ein Anlandeverbot führt DG Mare vor allem fehlende Beifangzahlen weil dann keine Beobachter mehr an Bord wären, die fehlende Kooperationsbereitschaft der Fischerei zur Beifangsvermeidung ohne finanziellen Anreize aus der Vermarktung und die Gefahr der Kriminalisierung des Fangs und der dadurch entstehenden illegalen Aktivitäten an. Dies sind in der Tat alles gerechtfertigte Argumente aber genau für ein Anlandeverbot; Beobachter oder 100% elektronische Überwachung sind allemal ein zwingend notwendiges Zeit für die Fischerei im Atlantik mit oder ohne Makofang; die finanziellen Anreize der Fischer werden genau zum Gegenteil führen, nämlich der Maximierung des Fangs zu Beginn der Saison und der gleichen Argumentation danach; Und nur weil die Gefahr besteht dass dann illegal gefangen wird darf doch kein Argument sein etwas zu erlaben das nicht tolerierbar ist, ansonsten müsste der Drogenhandel auch erlaubt sein oder nicht?
- DG Mare empfindet die klare zeitliche Eingrenzung und die konkreten Maßnahmen der wissenschaftlichen Empfehlung, nämlich das Anlandeverbot und einen Wiederaufbau des Bestandes bis 2070 als eine unzulässige Einmischung in die Managerkompetenzen. Eine solche Risikobewertung überschreite die Kompetenzen der Wissenschaftler uns sei einzig den Managern vorbehalten. Die Wissenschaftler unter uns dürften dies sicherlich anders sehen.
- DG Mare gibt vor alle Vorschläge für 288 t / 500 t auch mit DG Environment abgestimmt zu haben und dass alle EU Mitgliedsstaaten dies unterstützen würden. Ob dem wirklich so ist konnten wir bisher nicht feststellen, aber es fällt schwer zu glauben, dass alle EU Mitglieder das so sehen, zumal es hier um eine Artenschutzthematik geht. Beim Webinar waren allerdings viele EU Vertreter dabei und auch Teilnehmer seitens der CITES Behörden. Hoffen wir dass sich daraus etwas bewegt.
- DG Mare insistiert darauf dass der Rückwurf toter Haie nicht zu deren Schutz beiträgt und ignoriert dabei die wirtschaftlichen Anreize für die Fischer möglichst viele Makos als 'tot' zu erklären damit sie sie dann verkaufen können. Und das dem so ist bestätigen Aussagen von Beobachtern.
- Zumindest zwischen den CITES Verantwortlichen und den Fischereiverantwortlichen in der EU scheint es eine unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des Bestandeds des negativen NDFs zu geben; DG Mare geht davon aus dass dieser revidiert wird und es ein positives NDF basierend auf der TAC der EU geben wird, während ein Vertreter des SRG aus Portugal dies so nicht bestätigte.
Unser Fazit Warum ist die EU so dickköpfig in Bezug auf eine Anlandeverbot für den Makohai, wenn doch viele anderen Nationen, wie Kanada, UK, Senegal, Gabon, Norwegen und selbst Taiwan offensichtlich gewillt sind, den Empfehlungen der Wissenschaftler zu folgen? Und eigentlich ist die EU doch immer so stolz darauf sich für den Meeresschutz einzusetzen und hat in der Vergangenheit selbst ähnliche Anlandeverbote für andere Haiarten, wie z.B. den Seidenhai (Carcharhinus falciformis), den Weißspitzenhochseehai (Carcharhinus longimanus) oder den Hammerhai (Sphyrna lewini) forciert.
Warum also nicht jetzt auch für den Kurzflossen Makohai (Isurus oxyrinchus), obwohl dieser gemäß einer biologischen Risikoanalyse für Überfischungsgefahr an einer der obersten Stellen steht? Denn selbst bei einem Fang von Null wird es ab heute wahrscheinlich mindestens 50 Jahre dauern bis sich der Bestand laut Modellrechnungen der Wissenschaftler erholen kann. 50 Jahre! Und immer noch diskutieren wir über Fangquoten von 500 Tonnen und mehr bei denen es dann maximal eine 50 zu 50 Chance für eine Bestandserholung gibt.
Wie passt das Alles zur viel zitierten EU Biodiversitätsstrategie der EU) fragen wir uns und wohl auch der ein oder andere Europäer?
Wir setzten daher jetzt auf die Unterstützung der Bundesregierung in dieser Angelegenheit und hoffen dass sich Deutschland innerhalb der EU Kommission jetzt für den Mako stark macht, damit beim Intersessional Meeting im Juli eine Einigung diesbezüglich erzielt und dann im Kommissions Meeting zum Jahresende angenommen werden kann.
Wir bleiben auf jeden Fall dran und werden uns als Observer auch beim Intersessional Meeting diesbezüglich äußern, in der Hoffnung dass Europa jetzt endlich aufwacht – bevor es zu spät ist. Eine erneute Verschiebung ist vollkommen inakzeptabel. Unsere Pressemitteilung zum EU Webinar
Text: I.Ziegler