In knapp 3 Monaten wird die Stimmensammlung beendet – bis dahin heißt es Unterschreiben, Teilen und Aufmerksamkeit gewinnen.
13. Oktober, 2021
Ohne Dich geht´s nicht – Der Endspurt
Hallo Hai-Freunde! Für unsere „Ohne Dich Geht’s Nicht“ Kampagne und die EU-Bürgerinitiative „Stop Finning – Stop the Trade“ beginnt nun der Endspurt. In knapp 3 Monaten wird die Stimmensammlung beendet – bis dahin heißt es Unterschreiben, Teilen und Aufmerksamkeit gewinnen. Dank Euch haben wir in Deutschland das Mindestziel an Unterschriften zwar geknackt, wollen die Anzahl aber nochmal verdoppeln. Doppelt hält ja bekanntlich besser!
Weitere Argumente, warum Haie gerade jetzt unseren Schutz brauchen, findet ihr hier. Diesen Monat taucht unsere Blog-Reihe ab in die Welt des Klimawandels – und zwar nicht an Land, sondern unter Wasser.
Klimawandel und Ozeane
Steigende Durchschnittstemperaturen, immer extremer werdende Wetterphänomene und Abschwächung der großen ozeanischen Strömungen – all diese drastischen Ereignisse basieren auf dem zunehmenden anthropogenen Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre [1]. Wissenschaftler erwarten, dass sich diese Veränderungen im laufenden Jahrhundert noch beschleunigen und intensiveren werden.
Der Klimawandel betrifft uns nicht nur an Land, er birgt auch verheerende Auswirkungen für die Ozeane und deren Bewohner. Steigende Wassertemperaturen werden das bereits angeschlagene Gleichgewicht der Meere noch weiter durcheinanderbringen, das Aussterberisiko vieler Arten wird erhöht und die globale Verteilung der Biodiversität wird sich drastisch verschieben [2]. Bereits heute beobachten wir eine Veränderung der Gemeinschafsstrukturen in marinen Ökosystemen aufgrund dieser Temperaturänderungen und der Akkumulation von atmosphärischem Kohlenstoff.
Viele Hai-Arten sind durch Überfischung in Verbindung mit ihrer geringen Fruchtbarkeit, ihrer späten Geschlechtsreife und ihrem langsamen Wachstum bereits vom Aussterben bedroht [3]. Der Klimawandel verschärft bestehende Bedrohungen für Haie weltweit – oft auf dramatische Art und Weise.
Dem Weißen Hai wird es zu warm
Wenn wir an Haie denken, schwebt uns meist der Mythos „Großer Weißer Hai“ (Carcharodon carcharias) vor. Dieser ist nicht nur unser bevorzugtes Angstzinationsobjekt sondern auch integraler Bestandteil vieler mariner Nahrungsnetze. Bereits jetzt sind sie in einigen Regionen der Welt funktional weitestgehend ausgestorben; weltweit werden sie von der IUCN als „Gefährdet“ eingestuft [4].
Dank unserer Faszination ist viel über diese Hai-Art bekannt, inklusive ihrer natürlichen Territorien und Migrationsrouten. Vor der Küste Kaliforniens beobachten Forscher aktuell einen besorgniserregenden Trend. Jungtiere werden immer weiter nördlich gesichtet; eine signifikante Verschiebung ihrer Reichweite innerhalb weniger Jahre. Diese Ausbreitung weg von den Äquator-nahen Regionen beruht auf der Suche der junge Haie nach geeigneten thermischen Lebensräumen [5]. Die steigenden Wassertemperaturen in ihren ursprünglichen Territorien zwingen sie, sich weiter Richtung Norden zu orientieren, um in ihrem bevorzugten Temperaturbereich zu bleiben.
Diese Nordverschiebung bringt drei Konsequenzen mit sich: (i) durch ihre fehlende regulierende Funktion verändert sich die Gemeinschaftsstruktur in ihrem ursprünglichen Gebiet (ii) in ihrem neuen Gebiet stehen sie unterlegenen Beutetieren gegenüber, die nicht auf einen solchen Apex-Jäger eingestellt sind und (iii) sie kommen in den küstennahen und stark besiedelten Regionen Nordkaliforniens immer öfter mit Menschen in Kontakt. Begegnungen zwischen Haien und Menschen verlaufen oft tödlich – für die Haie, nicht für uns Menschen.
Die Luft wird dünn
Haie brauchen – wie fast alle Lebewesen – Sauerstoff für ihren Energiehaushalt. Auch hier erschwert der Klimawandel dem Weißen Hai und vielen anderen großen pelagischen Arten das Überleben. Warmes Wasser hat, aufgrund einer geringerer Speicherkapazität, einen reduzierten Sauerstoffgehalt. Gerade die großen, charismatischen Arten reagieren dank ihrer hohen Stoffwechselrate besonders empfindlich auf ein Absinken des Sauerstoffwertes [6]. In einigen Küsten- und Meeresregionen rund um den Globus werden sauerstoffreiche Schichten immer flacher, was Hai-Arten näher an die Oberfläche treibt. Dort sind sie anfälliger für die Fanggeräte der Fischerei, enden vermehrt als Beifang oder verfangen sich in Geisternetzen.
Ein schlechter Start ins Leben
Nicht nur pelagische Arten sind von den steigenden Temperaturen betroffen. Queensland Epaulettenhaie (Hemiscyllium ocellatum) sind eine Art kleiner bodenlebender Haie aus der Familie der Bambushaie. Sie kommen vorwiegend vor den Küsten Australiens und im Südpazifik vor. Wie 40 Prozent aller Hai-Arten legen sie Eier, die drei bis vier Monate zum Schlüpfen brauchen. In dieser Zeit ist der sich entwickelnde Embryo komplett auf sich gestellt, da keinerlei Brutpflege stattfindet. Den Elementen – und damit den steigenden Wassertemperaturen – ist er damit komplett ausgeliefert.
Der thermische Stress übt sich stark auf Epauletten-Hai-Eier aus, und dies mit drastischen Konsequenzen [7]. Studien belegen, dass Jungtiere, die unter künstlich erhöhten Temperaturen herangezogen wurden, früher schlüpfen und somit geschwächt auf die Welt kommen als Artgenossen in kühleren Gegenden. Jungtiere sind oft kleiner und weisen weniger Markierungen auf, was dazu führt, dass sie anfälliger für Raubfische sind.
Wenn die Temperaturen über einen gewissen Schwellenwert steigen, überleben die Embryonen möglicherweise nicht einmal bis zum Schlüpfen. Da Haie eh ein geringes Reproduktionspotenzial haben, hätte dies verheerende Konsequenzen für die stetig sinkenden Populationszahlen.
Saure Ozeane = Hungrige Haie
Die Erhöhung der atmosphärischen CO2-Konzentration führt nicht nur zu steigenden Temperaturen, sondern beeinflusst auch die chemische Zusammensetzung des Meerwassers. Die Aufnahme von zusätzlichem CO2 aus der Atmosphäre führt dazu, dass der pH-Wert der Ozean sinkt – sie werden saurer [8].
Die Auswirkungen dieser Versauerung wird hauptsächlich an den Beispielen von Kalkbilder wie Korallen und Muscheln studiert, aber auch Haie spüren die Konsequenzen. Studien aus Kapstadt an Puffotter-Katzenhaien (Haploblepharus edwardsii) zeigen deutlich, dass die Zusammensetzung, Bildung und Stärke der Dentikel unter den veränderten Bedingungen leidet [9]. Da Haizähne und Dentikel einen ähnlichen Aufbau haben wird erwartet, dass die Auswirkung auf Zähne analog verläuft.
Betroffen davon werden vor allem pelagische Arten sein, die auf effizientes Schwimmen und plötzliche Beschleunigung angewiesen sind. Kurzflossen-Makohaie (Isurus oxyrinchus) erreichen Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 74 km pro Stunde, wobei die hydrodynamisch geformten Dentikel eine wesentliche Rolle spielen [10]. Eine veränderte Oberflächenstruktur wird zu erhöhtem Energieaufwand führen, ein definitiver Nachteil für viele Bewohner des Offenen Ozeans. Dies, plus geschwächte und brüchige Zähne, malt ein trauriges Bild für die Haie der Zukunft.
Aber auch bodenlebende Haie werden die Veränderung zu spüren bekommen. Hier erzeugt die Form der Dentikel keinen Geschwindigkeitsvorteil, sondern dient zum Schutz vor Fressfeinden [11]. Eine Reduzierung der Panzerung wird vor allem für Jungtiere problematisch werden.
Die immer deutlicher werdenden Auswirkungen des Klimawandels kristallisieren sich zu einem der bedeutendsten Probleme unserer Zeit heraus. Wir brauchen jeden Verbündeten und jede mögliche Ressource, um unsere Zukunft – und die unseres Planeten – zu retten. Haie stehen dabei auf unserer Seite! Robuste Hai-Populationen tragen wesentlich zum Erhalt gesunder Riffe & Seegraswiesen bei. Beide binden große Mengen an atmosphärischem CO2 und liefern uns was wir dringend brauchen – Sauerstoff.
In unserem Blog-Post „Rolle der Haie im Ökosystem“ findet ihr noch mehr Gründe warum gesunde Ozeane ohne Haie nicht möglich sind.
Unser nächstes Thema mag auf den ersten Blick etwas merkwürdig erscheinen. Über die ökologische Bedeutung der Haie wird viel gesprochen, nächsten Monat betrachten wie sie nun von einer neuen Seite: ihrem ökonomischen Wert. Findet mit SHARKPROJECT INTERNATIONAL heraus, warum lebende Haie auch finanziell wesentlich wertvoller sind als Tote und wie das ihnen oft das Leben retten kann – Stay Tuned!
In knapp drei Monaten endet der Zeitraum um die EU Bürgerinitiative „Stop Finning – Stop the Trade“ zu unterstützen.
Ohne Dich geht’s nicht – Deine Stimme für den Hai-Schutz -> Link zur Stimmabgabe
Quellenangaben
[1] Pachauri, R. K. , Allen, M. R. , Barros, V. R. , Broome, J. , Cramer, W. , Christ, R. , Church, J. A. , Clarke, L. , Dahe, Q. , Dasgupta, P. , Dubash, N. K. , Edenhofer, O. , Elgizouli, I. , Field, C. B. , Forster, P. , Friedlingstein, P. , Fuglestvedt, J. , Gomez-Echeverri, L. , Hallegatte, S. , Hegerl, G. , Howden, M. , Jiang, K. , Jimenez Cisneroz, B. , Kattsov, V. , Lee, H. , Mach, K. J. , Marotzke, J. , Mastrandrea, M. D. , Meyer, L. , Minx, J. , Mulugetta, Y. , O’Brien, K. , Oppenheimer, M. , Pereira, J. J. , Pichs-Madruga, R. , Plattner, G. K. , Pörtner, H. O. , Power, S. B. , Preston, B. , Ravindranath, N. H. , Reisinger, A. , Riahi, K. , Rusticucci, M. , Scholes, R. , Seyboth, K. , Sokona, Y. , Stavins, R. , Stocker, T. F. , Tschakert, P. , van Vuuren, D. and van Ypserle, J. P. (2014): Climate Change 2014: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change / R. Pachauri and L. Meyer (editors) , Geneva, Switzerland, IPCC, 151 p., ISBN: 978-92-9169-143-2 .
[2] Bryndum‐Buchholz, A., Tittensor, D. P., Blanchard, J. L., Cheung, W. W. L., Coll, M., Galbraith, E. D., Jennings, S., Maury, O., & Lotze, H. K. (2018). Twenty‐first‐century climate change impacts on marine animal biomass and ecosystem structure across ocean basins. In Global Change Biology (Vol. 25, Issue 2, pp. 459–472). Wiley. https://doi.org/10.1111/gcb.14512
[3] Worm, B., Davis, B., Kettemer, L., Ward-Paige, C. A., Chapman, D., Heithaus, M. R., Kessel, S. T., & Gruber, S. H. (2013). Global catches, exploitation rates, and rebuilding options for sharks. In Marine Policy (Vol. 40, pp. 194–204). Elsevier BV. https://doi.org/10.1016/j.marpol.2012.12.034
[4] Rigby, C.L., Barreto, R., Carlson, J., Fernando, D., Fordham, S., Francis, M.P., Herman, K., Jabado, R.W., Liu, K.M., Lowe, C.G, Marshall, A., Pacoureau, N., Romanov, E., Sherley, R.B. & Winker, H. 2019. Carcharodon carcharias. The IUCN Red List of Threatened Species 2019: e.T3855A2878674. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2019-3.RLTS.T3855A2878674.en. Downloaded on 15 October 2021.
[5] Tanaka, K. R., Van Houtan, K. S., Mailander, E., Dias, B. S., Galginaitis, C., O’Sullivan, J., Lowe, C. G., & Jorgensen, S. J. (2021). North Pacific warming shifts the juvenile range of a marine apex predator. In Scientific Reports (Vol. 11, Issue 1). Springer Science and Business Media LLC. https://doi.org/10.1038/s41598-021-82424-9
[6] Bernal, D., Reid, J. P., Roessig, J. M., Matsumoto, S., Sepulveda, C. A., Cech, J. J., Jr., & Graham, J. B. (2018). Temperature effects on the blood oxygen affinity in sharks. In Fish Physiology and Biochemistry (Vol. 44, Issue 3, pp. 949–967). Springer Science and Business Media LLC. https://doi.org/10.1007/s10695-018-0484-2
[7] Johnson, M. S., Kraver, D. W., Renshaw, G. M. C., & Rummer, J. L. (2016). Will ocean acidification affect the early ontogeny of a tropical oviparous elasmobranch (Hemiscyllium ocellatum)? In Conservation Physiology (Vol. 4, Issue 1, p. cow003). Oxford University Press (OUP). https://doi.org/10.1093/conphys/cow003
[8] Doney, S. C., Fabry, V. J., Feely, R. A., & Kleypas, J. A. (2009). Ocean Acidification: The Other CO2 Problem. In Annual Review of Marine Science (Vol. 1, Issue 1, pp. 169–192). Annual Reviews. https://doi.org/10.1146/annurev.marine.010908.163834
[9] Dziergwa, J., Singh, S., Bridges, C. R., Kerwath, S. E., Enax, J., & Auerswald, L. (2019). Acid-base adjustments and first evidence of denticle corrosion caused by ocean acidification conditions in a demersal shark species. In Scientific Reports (Vol. 9, Issue 1). Springer Science and Business Media LLC. https://doi.org/10.1038/s41598-019-54795-7
[10] Díez, G., Soto, M., & Blanco, J. M. (2015). Biological characterization of the skin of shortfin mako shark Isurus oxyrinchus and preliminary study of the hydrodynamic behaviour through computational fluid dynamics. In Journal of Fish Biology (Vol. 87, Issue 1, pp. 123–137). Wiley. https://doi.org/10.1111/jfb.12705
[11] Ankhelyi, M. V., Wainwright, D. K., & Lauder, G. V. (2018). Diversity of dermal denticle structure in sharks: Skin surface roughness and three‐dimensional morphology. In Journal of Morphology (Vol. 279, Issue 8, pp. 1132–1154). Wiley. https://doi.org/10.1002/jmor.20836