Was wurde für den Schutz der Haie im Atlantik erreicht? Welche Schutzmaßnahmen sind erneut gescheitert?
24. November, 2021
Die 27. Tagung der ICCAT-Kommission ist vorbei!
Fazit der 27. Kommissionssitzung von ICCAT aus Sicht des bedrohten Kurzflossen-Makohaies: Noch nicht alles erreicht, aber zumindest für den Bestand im Nordatlantik wurde jetzt ein erster Meilenstein erzielt - dank des unermüdlichen Einsatzes von Großbritannien, Gabon, Senegal und Canada UND vieler, vieler Meeresschützer auf der ganzen Welt.
Sharkproject International ist akkreditierter Beobachter beim ICCAT und hat an der diesjährigen Kommissionssitzung mit besonderem Interesse an wirksamen Schutzmaßnahmen für die bedrohten Kurzflossen-Makohaie im Atlantik teilgenommen. In den letzten 18 Monaten haben wir uns gemeinsam mit Pro Wildlife e.V. und vielen anderen Haischutzgruppen in Europa und der ganzen Welt, aber auch in enger Zusammenarbeit mit nationalen Regierungen und Mitgliedern des Europäischen Parlaments intensiv für Verbesserungen für den Schutz der bedrohten Kurzflossen-Makohaie eingesetzt.
Wir hatten gehofft, dass ICCAT endlich das seit vielen Jahren geforderte Fangverbot für Kurzflossen Mako im Nordatlantik beschließt, um endlich dessen Überfischung zu beenden und einen Wiederaufbauplan für diesen kritisch überfischten Bestands einzuleiten. Ein solcher Wideraufbau würde mindestens bis 2045, höchstwahrscheinlich aber sogar bis 2070 dauern, selbst bei einer Gesamtsterblichkeit von null.
Diese Art, wurde bisher ohne jegliche Mengenbegrenzung als Beifang in der europäischen Haifischerei auf Blauhaie und Schwertfisch gefangen und vermarktet, alleine in 2020 landeten Spanien und Portugal zusammen über 1.250 Tonnen Makohai an.
Die Kommissionssitzung von ICCAT ging am Dienstag, dem 23.11.2021 zu Ende und in vielen Punkten ist das Erreichte leider als vollkommen unzureichend oder sogar traurig zu werten.
Zum Beispiel scheiterte ein Antrag von 10 Mitgliedsstaaten endlich eine „Fins Naturally Attached“ Verpflichtung bei ICCAT einzuführen, wie sie in Großbritannien, der EU, Kanada, den USA und vielen anderen Mitgliedsstaaten bereits sei vielen Jahren gilt. Das Vorhaben scheiterte erneut an der Weigerung von Japan und China, diese weltweit als einzig wirksame Maßnahme zur Verhinderung von „Finning“ auf See anerkannten Forderung zu verpflichten, um das „Finning“ von Haien auf See wirklich zu beenden.
Und auch für die Blauhaie sieht es düster aus, denn obwohl die 2019 erstmals vereinbarte Fangbegrenzung im Südatlantik bereits in 2020 sehr deutlich, nämlich um über 5.000 Tonnen überschritten wurde, wird dies für die Fangnationen keine Konsequenzen haben und die nächste Überprüfung der Maßnahmen wurde auf 2023 vertagt.
Aber für den Kurzflossen Makohai gibt es nun tatsächlich Licht am Ende des Tunnels – zumindest für den nordatlantischen Bestand.
Auch wenn wir keinen vollständigen "retention ban" erzielen konnten - weil die EU nach wie vor vehement gegen ein komplettes Fang- und Anlandeverbot opponiert und ansonsten eine Einigung erneut hätte scheitern lassen - konnte dennoch ein entscheidender Etappensieg erzielt werden!
Zwei Jahre "retention ban" (2022 und 2023) und danach ist nur dann noch die Anlandung einer stark reduzierten Menge überhaupt zulässig, wenn
- die Gesamtsterblichkeit im Nordatlantik inklusive des gesamten toten Rückwurfs und einer vom SCRS (wissenschaftliche Ausschuss des ICCAT) definierten Sterblichkeitsrate für den lebenden Rückwurf zusammen mit allen möglicherweise erlaubten Anlandungen im Vorjahr weniger als 250 Tonnen ausmachte!
- die Staaten in diesem Jahr alle ihre Fänge, tot zurückgeworfenen Tiere und lebend freigelassenen Tiere berichtet haben.
- keine Überschreitungen aus den vorangegangenen Jahren vorliegen, die zuerst noch „zurückbezahlt“ werden müssen.
- die Fangnationen die angelandeten Mengen dann jeweils monatlich an das ICCAT Sekretariat berichten.
- Entweder ein menschlicher Beobachter an Bord ist oder ein geeignetes elektronisches System um zu bestätigen, dass die an Bord behaltenen Tiere bereits tot waren als die Leinen eingeholt wurden.
Und prinzipiell gilt nunmehr, dass nur tote Tiere an Bord behalten werden dürfen. Die bisherige Ausnahme für die Sportfischerei, dass geschlechtsreife Tiere auch dann behalten werden dürfen, wenn sie lebend gefangen werden, entfällt. Dies war ein großes Zugeständnis der USA, die im Laufe der Verhandlungen ihre Ablehnung dieser Regelung aufgegeben hatten – zum Schutz dieses bedrohten Bestandes.
250 Tonnen pro Jahr sind zwar noch immer mehr als für eine schnellstmögliche Erholung dieses Bestandes im Nordatlantik gut wäre, aber DEUTLICH weniger als die in 2020 alleine von der EU angelandeten 1.250 t!
Die Quotenverteilung einer eventuell möglichen Fangmenge pro Jahr soll über eine Zuteilungsformel aus den Fängen der Vergangenheit berechnet werden und bevorteilt die EU nach wie vor, weil sie ja in den letzten Jahrzehnten für 60-80 % der Fänge verantwortlich war.
Der diese Woche erzielte Etappensieg ist ein Kompromiss den wir v.a. dem unermüdlichen Einsatz der Sponsoren des ursprünglichen Vorschlages für einen „retention ban“, nämlich Großbritannien, Kanada, Gabun und Senegal zu verdanken; aber auch all denjenigen Wissenschaftlern und Meeresschützern die seit 2017 einen „retention ban“ gefordert hatten und unermüdlich gefordert hatten, dass die Kommission endlich auf die Empfehlungen der Wissenschaft und nicht die Wünsche der Industrie hört.
Historisch ist dieses Ergebnis auch deswegen, weil zum allerersten Mal ein Wiederaufbauplan für eine überfischte Haiart in der Kommission beschlossen wurde und mit der Festsetzung der Wahrscheinlichkeit diesen Aufbau bis 2070 auch zu schaffen zwischen 60 % und 70 % liegen muss. Die bisher bei ICCAT angewandten Erfolgswahrscheinlichkeiten lagen immer deutlich niedriger, waren aber für normale Fische wie Thunfisch ausgelegt. Und dass dies für Hai keinesfalls zulässig ist und wir hier viel höhere Erfolgschancen brauchen, um in Anbetracht der biologisch geschuldeten extrem langen Zeiträume für diesen Wiederaufbau von 50 Jahren dem Vorsichtsprinzip Genüge zu leisten, das ist der wirkliche Erfolg der diesjährigen Kommissionsitzung.
Denn diese Wahrscheinlichkeit ist jetzt festgeschrieben und muss auch dann berücksichtigt werden, wenn sich die Ausgangsdaten z.B. aus einer neuen Bestandsabschätzung, wie sie nunmehr für 2024 geplant ist, ändern sollten.
Natürlich hätten wir uns dafür lieber jetzt schon 70 % Ausbauwahrscheinlichkeit gewünscht, die dann zu einer max. zulässigen Gesamtmortalität von weniger als 100 Tonnen geführt hätten, aber das war eben der Kompromiss, den man gehen musste, denn leider entscheidet ICCAT immer nur einstimmig.
© David Serradell
Hier finden Sie unsere Stellungnahme zum Ende der Kommissionssitzung am 23.11.2021
Im Namen von Sharkproject und Pro Wildlife e.V. bedankte sich Dr. Iris Ziegler, unsere offizielle „Beobachterin“ bei ICCAT, am Ende der diesjährigen Kommissionssitzung beim Kommissionsvorsitzenden für die Möglichkeit unsere Sicht zu den Resultaten der diesjährigen Diskussionen im Panel 4, d.h. zum Kurzflossen-Mako und zu anderen Hai-Themen darzulegen.
"Ein standardmäßiges Fangverbot für nur zwei Jahre ist natürlich ein enttäuschendes Ergebnis nach fünf Jahren Verhandlungen und sicherlich unzureichend für einen Bestand, der kurz vor dem Zusammenbruch steht und sich möglicherweise zu unseren Lebzeiten nicht mehr erholen wird, wenn überhaupt jemals.
Wir sind jedoch dem Vereinigten Königreich, Kanada, Gabun und Senegal sehr dankbar, dass sie in den letzten Monaten und während dieser Sitzung so hart gearbeitet haben, um die Konditionen für eine eventuell mögliche Anlandung so zu verbessern, wie sie nun in dem angenommenen Vorschlag zusammengefasst sind.
Wir begrüßen insbesondere das gemeinsame Verständnis aller CPCs, dass vollständige Datensätze (einschließlich des toten Rückwurfs und der Lebendfreilassungen) eine unabdingbare Voraussetzung für eine jährliche Schätzung der Gesamtmortalität durch das SCRS sind um überhaupt eventuell mögliche Anlandemengen für das folgende Jahr zu berechnen
Da wir wissen, dass der Bestand des Kurzflossen Mako im Nordatlantik bis 2035 weiter zurückgehen wird, hatten wir gehofft, dass ein Anlandeverbot zumindest bis zu einem Zeitpunkt gelten sollte, wenn neue wissenschaftliche Gutachten des SCRS auf Grundlage einer neuen Bestandsabschätzung vorliegen, oder besser noch, bis wir sehen, dass sich dieser Bestand wirklich erholt.
Daher ist es jetzt von entscheidender Bedeutung, die diesjährigen Diskussionen fortzusetzen und einen Bestandswiederaufbau mit deutlich über 60 % und so nahe wie möglich an einer Wahrscheinlichkeit von 70 % voranzutreiben, um den beabsichtigten Erfolg zu sichern, d. h. diesen Bestand so schnell wie möglich wiederaufzubauen und dabei angesichts der vielen Unwägbarkeiten dieses extrem langen Zeitrahmens unbedingt dem Vorsichtsprinzip zu folgen.
Wir sind jedoch enttäuscht, dass auch in diesem Jahr erneut keine Maßnahme zur Beendigung der Überfischung des Kurzflossen Mako im Südatlantik vereinbart wurde und dass der Vorschlag zur Einführung von „Fins Naturally Attached“ erneut abgelehnt wurde, weil zwei CPCs nicht bereit waren, diese weltweit als best practice anerkannte Maßnahme, auch im ICCAT zu akzeptieren. Dadurch wurde die gute Intention der zehn befürwortenden Nationen dieses Vorschlags erneut zunichtegemacht."
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Darüber hinaus hatten wir in unserer abschließenden Erklärung im Panel 4 https://bit.ly/3l539ii die Bedeutung weiterer Maßnahmen zur Vermeidung des Beifangs und zur Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit der lebend freigelassenen Tiere betont. Dabei hoben wir auch die Bedeutung hervor, dass die nun beschlossenen Meldepflichten und die vereinbarten Maßnahmen auf dem Wasser auch wirklich umgesetzt und eingehalten werden. Dies ist insbesondere in Anbetracht der geringen Anzahl an Beobachtern und dem Fehlen eines getesteten Electronic Monitoring Systems mit Berücksichtigung der vom ICCAT zu vereinbarenden Mindeststandards von großer Bedeutung.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass dies eine wichtige Verbesserung für die Bestände im Nordatlantik darstellt, dass aber in den kommenden Jahren noch viel getan werden muss, um sicherzustellen, dass dieser Ansatz auch tatsächlich eingehalten wird und nicht wieder von den Gegnern eines „retention bans“ revidiert wird, insbesondere von der Fischereibehörde der EU-Kommission (EU_Mare), die sich jahrelang gegen ein solches Verbot gewehrt hatte, um die kommerziellen Interessen ihrer Fischereiindustrie zu schützen.