Das Märchen vom nachhaltigen Haifang – Eine Zusammenfassung der Berichte und Daten zu fehlendem Haischutz und der Behauptungen über den nachhaltigen Fang von Haien
10. April, 2021
Hai-Schutz: Analyse und Synthese
Das Märchen vom nachhaltigen Haifang – Eine Zusammenfassung der Berichte und Daten zu fehlendem Haischutz und der Behauptungen über den nachhaltigen Fang von Haien von Porcher, I.F.; Darvell, B.W.; Ziegler, I. Shark Conservation – Analysis and Synthesis. Preprints 2021, 2021020145 (doi: 10.20944/preprints202102.0145.v3).
Immer deutlicher wird der katastrophale Zustand der weltweiten Haipopulation und dass eine Großzahl aller bekannten Hai- und Rochenarten wohl bald von unserem Planeten verschwunden sein wird – und zwar für immer.
Wissenschaftliche Studien, Berichte der Vereinten Nationen, die Updates der Roten Liste der bedrohten Tierarten zeichnen alle das gleiche Szenario: die Haipopulationen stehen kurz vor dem totalen Kollaps und das weltweit. Und das, obwohl wir heute wissen, wie unverzichtbar Haie für gesunde Ökosysteme im Meer sind. „Ohne Haie stirbt das Meer und ohne das Meer sterben wir alle“, denn ohne dem Ozean, der blauen Lunge unseres Planeten, wird die Erde und wir alle nicht überleben. Dennoch, machen wir weiter wie bisher und setzten unseren „Krieg“ gegen die Haie und die unerbittliche Ausbeutung der Meere fort.
Jedes Jahr sterben zwischen 63 und 273 Millionen Haie durch den Einfluss der kommerziellen Fischerei, wegen ihrer Flossen, dem Öl ihrer Leber als Fleischlieferant oder einfach als Beifang. Dennoch haben wir das bisher einfach ignoriert und dem Märchen vom nachhaltigen Fischfang und dem nachhaltigen Fang von Haien durch gut regulierte Haifischfischereien geglaubt oder einfach auch einfach nur glauben wollen, um uns nicht mit den unabdingbaren Konsequenzen auseinandersetzen zu müssen.
Der bereits als Preprint verfügbare Review betrachtet anhand von wissenschaftlichen Studien und Publikationen der letzten zehn Jahre und anhand aktueller Zahlen einiger besonders dramatischen Beispiele nicht nur den weltweit alarmierenden Rückgang der Haipopulationen und die zunehmende Anzahl an bedrohten Arten aus der Klasse der Chondrichthyes (Knorpelfische), zu denen neben den Haien und den Rochen auch noch die Chimären (Seekatzen) gehören, sondern vor allem auch welche Rolle die kommerzielle Fischerei hierbei in den verschiedenen Gebieten gespielt hat.
Und immer wieder ergibt sich die Frage, warum die vielfach gepriesenen Managementsysteme und Bewirtschaftungspläne einzelner Nationen und RFMOs (Regional Fishery Management Organisations) hierbei so kläglich versagt haben. Zahlreiche Einzelbeispiele von angeblich nachhaltigen Haifischereien werden ebenso analysiert wie die fehlenden Maßnahmen von Nachhaltigkeitssiegeln wie dem MSC-Siegel, das noch nicht einmal den weltweit anerkannten Standard zur Verhinderung von ‚Finning’, einer besonders grausamen und ausbeuterischen Methode beim Haifang, als Voraussetzung für die Zertifizierung fordert.
Dabei ist die Nachfrage nach Haifischflossen aus dem asiatischen Raum und die gigantischen Gewinnmargen aus diesem Geschäft noch immer einer der Haupttreiber für den steigenden Fangdruck auf die Haipopulationen und das Scheitern aller Bemühungen nach Nachhaltigkeit, die ansonsten vielleicht möglich gewesen wäre. Wirtschaftliche und politische Hintergründe für den fehlenden Willen zum Umdenken hinsichtlich der Nutzung dieser einzigartigen marinen Lebensgrundlage werden ebenfalls betrachtet und am Beispiel der angeblich vorbildlich regulierten Langleinenfischerei im Atlantik diskutiert. Einer Schwertfischfischerei, die vorgibt Haie nachhaltig zu fangen, ohne die Bestände zu gefährden und es dabei vor allem auf Blauhaie und Kurzflossen Makohaie abgesehen hat.
Letztere Art ist allerdings von der IUCN als „bedroht“ eingestuft und sogar seit 2019 durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) hinsichtlich des internationalen Handels reguliert. Im Atlantik wurde der Bestand von der zuständigen Managementorganisation ICCAT jahrzehntelang überfischt, sodass der Bestand im Norden heute vor dem kompletten Zusammenbruch steht und auch im Süden eine ähnliche Entwicklung zu erwarten ist – doch seit 2017 fokussieren die größten Fangnationen darum, wie viel Gewinn sich aus diesen überfischten Beständen noch abschöpfen lässt.
Daher wird die Überfischung weiter fortgesetzt, obwohl feststeht, dass selbst bei einem Fang von null der Wiederaufbau des Bestandes im Norden mindestens 50 Jahre dauern wird.
Es ist dabei vor allem die EU, die hier auf die Fortsetzung der kommerziellen Einkünfte aus der Anlandung des angeblichen Beifangs der spanischen und portugiesischen Fischerei pocht und so alle weiteren Schutzbemühungen untergräbt. Haie, haben seit 400 Millionen Jahren auf unserem Planeten überlebt, aber dem industriellen Ausmaß des Fangs seit den 70-er Jahren können sie einfach nicht mehr standhalten. Bereits 2003 waren die Bestände auf ca. 10 % ihres vorindustriellen Vorkommens reduziert und heute ist die Hälfte aller Hochseehaie auf der Roten Liste der IUCN als bedroht oder sogar kritisch bedroht eingestuft.
So kommen die Autoren zu dem Schluss, dass in Anbetracht aller bekannten Fakten und der zunehmend dramatischen Verschlechterung der Situation nur ein komplettes Umdenken hinsichtlich der Nutzung unserer marinen Ressourcen uns noch retten kann. Wir brauchen selektive Fangmethoden und müssen statt auf Fangmenge auf Fangqualität setzen, sozusagen weniger ist mehr!
Der Beifang muss weitgehend auf null reduziert werden und der Fang von Haien und anderen besonders für Überfischung anfälligen Arten aus der Klasse der Knorpelfische muss komplett aufhören. Dafür braucht es Fangverbote, aber vor allem auch Handelsverbote, da diese weltweit besser kontrolliert und umgesetzt werden können. Zudem müssen all die Themen, die seit vielen Jahren diskutiert, aber bisher nicht umgesetzt wurden, wie ein Ende der Subventionen für die Fischerei, große zusammenhängende Schutzgebiete ohne Fischerei oder andere menschliche Eingriffe und ein internationales Handelsverbot für alle als „gefährdet“, „bedroht“ oder „kritisch bedroht“ gelisteten Hai- und Rochenarten durch Aufnahme in CITES, Anhang I.
Und im Zweifel muss jeweils das Vorsichtsprinzip gelten und nicht der momentane Ansatz, dass man weiter macht wie bisher, so lange es keine eindeutigen Daten zur Bedrohung gibt. Denn was vor Gericht längst gilt ‚in dubio pro reo’ gilt bei der Regulierung der Fischerei unverständlicherweise bisher nirgends oder zumindest nicht im Sinne der Haie und dem Erhalt der Artenvielfalt unserer Meere.
Zugriff auf den kompletten Artikel gibt es hier: https://www.preprints.org/manuscript/202102.0145/v3